Auf den ersten Blick wirkt es halb so wild, doch in der Summe ist der Verlust enorm: Massenhaft verschwinden zurzeit Hecken und Grünflächen in den Vorgärten und werden durch ökologisch
wertlose Kiesflächen mit einzelnen immergrünen Pflanzen ersetzt. Sie nennen sich Kies "Tirol" und "Carrara" oder Splitt "Savanne", "Ardennen" oder "Lachs". Wo gestern noch die Vögel sangen, ist
es heute still geworden, so der NABU in einer Pressemitteilung.
„Da fehlt doch was“, denkt so mancher und versucht mit gut gemeinten Aktionen Abhilfe zu schaffen. Nistkästen und Futterhäuschen sollen die gefiederten Sänger wieder ins eigene Wohnumfeld locken.
Doch meist vergebens: „Mit Nistkästen hilft man nur Höhlenbrütern wie Meisen und Spatzen. Vogelfutter hilft vielleicht den erwachsenen Vögeln, ist aber für die Aufzucht von Jungvögeln völlig
ungeeignet. Diese benötigen Insekten. Doch wo sollen die Vogeleltern die noch finden, wenn es statt blühenden Pflanzen nur noch Steine gibt?“, fragt Rainer Michalski von der NABU Regionalstelle
Rheinhessen-Nahe.
Die wegen ihres melodischen Gesangs beliebten Amseln haben im Kiesgarten ebenso schlechte Karten, denn ihre Lieblingsspeise sind Regenwürmer und Insektenlarven, die im Boden oder unter
abgefallenem Laub leben. „So eine undurchdringliche Steinfläche ist wie für alle Vögel insbesondere für Amseln eine nahrungsarme Wüste und wird gemieden“, erklärt der Naturschützer. „Wer Vögel
liebt, der braucht auch Grün!“
Doch nicht nur Vögel haben das Nachsehen, auch Schmetterlinge, Marienkäfer, Bienen und Hummeln - die Sympathieträger unter den Insekten - sucht man in den modernen Gärten vergebens. Die in
Kiesgärten üblichen Koniferen und Gräser sind in manchen Augen schick, doch für Blüten besuchende Insekten bieten sie keinerlei Nahrung und werden gemieden.
Nicht zuletzt ist auch der Mensch betroffen: Kiesflächen heizen sich in der Sonne wesentlich stärker auf als von Pflanzen beschatteter Erdboden. Ein wesentlicher Faktor in Zeiten des Klimawandels
mit zunehmend heißen Sommern!
Für viele Menschen steht der scheinbar geringe Pflegeaufwand im Vordergrund, so der NABU, doch das räche sich nach ein paar Jahren: Durch Laub- und Nährstoffverwehungen reichern sich Stoffe
zwischen den Steinen an, es bildet sich Humus und Wildpflanzen können keimen. "Entweder zupfen dann manche mit den Händen Pflanzen heraus oder es kommt Chemie zum Einsatz", erklärt Herr Michalski
und berichtet von dem Beispiel eines Mannes, der bereits vor 10 Jahren solch einen Kiesgarten anlegte. "Vorher war es mit der Gartenpflege einfacher, ich hätte es besser gelassen", laute sein
Resümee heute.
Letztlich sind die Nachteile von Kiesgärten für die Natur und den Menschen gravierend. Es ist Zeit zum Umdenken, denn pflegeleichte, aber steinfreie Alternativen gibt es durchaus, so Herr
Michalski abschließend.